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Können Pferde Burnout kriegen?

Pferde können in einen Zustand geraten, der mit „Burnout“ beim Menschen vergleichbar ist.

Von Viola Bredemeyer

Kurz gesagt: Ja, können sie!

Allerdings findet der Begriff „Burnout“ in der Pferdewelt keine Anwendung. In der Fachsprache wird der Begriff „Generelles Adaptionssyndrom“ (GAS) verwendet oder kann in der einschlägigen Pferdeliteratur unter „allgemeinem Anpassungssyndrom“ oder „Selye`sches Syndrom“ gefunden werden. Dies „stellt die Gesamtheit aller unspezifischen Reaktionen des Organismus auf Stress dar.“ (Vgl.: Schmidt 2012)

Ebenso wie wir Menschen reagieren Pferde auf Druck, Stress und Überforderung. Je länger der Stress andauert, desto stärker sind die physischen oder psychischen Reaktionen darauf. Bei Pferden kann dies in drei aufeinanderfolgende Phasen eingeteilt werden:

  1. Alarmphase
  2. Phase des Widerstands
  3. Phase der Erschöpfung

 

In der Alarmphase schüttet das Pferd für eine vermeintlich oder tatsächlich akute Gefahrensituation körpereigene Abwehrkräfte aus und es kommt zu einer Erhöhung des Hormonspiegels und zu einer Ausschüttung entzündungshemmender Substanzen. Dies kommt dem Pferd beispielsweise in der Natur als Fluchttier zu Gute, da es so vor dem Raubtier flüchten kann und alle Abwehrkräfte einsetzt, um sich zu schützen. Ist dieser Zustand nur von kurzer Dauer und das Pferd kommt danach wieder in eine Ruhephase, kann es den Stress/Druck wieder abbauen.

Ist dies jedoch nicht möglich weil das Pferd sich weiterhin in der Alarmphase befindet, kommt es in die Widerstandsphase. In dieser Phase ist der Organismus des Pferdes durch die erhöhte Hormonausschüttung widerstandsfähig gegenüber dem Druck oder dem Stressor.

Nach der Widerstandsphase folgt direkt im Anschluss die Erschöpfungs- oder Anpassungsphase. In dieser zeigen sich physischen und psychischen Reaktionen des Pferdes auf den Dauerstress. Der Widerstand bricht zusammen und es kommt zu vielen aneinanderreihenden Immunerkrankungen und gesundheitliche Störungen wie Durchfall, Magengeschwüre oder Stoffwechselerkrankungen. (Vgl.: Sladky 2016)

Betrachten wir uns die drei Phasen kommt die Frage auf, welche Symptomatiken sich beim Pferd dabei zeigen und wie es überhaupt dazu kommen kann?

Dafür reisen wir kurz in die Vergangenheit und in die Geschichte des Pferdes zurück. (Ein Artikel über die genaue Entstehungsgeschichte des Pferdes folgt in Kürze) Pferde gibt es laut historischen Befunden schon seit über dreieinhalb Millionen Jahren (vgl.: FN: 2021: S.12). Pferde lebten in freier Wildbahn und passten sich als Herdentiere (leben im Herden/Gruppen zusammen), Fluchttiere (flüchten bei Gefahren vor Beispielsweise Raubtieren) und Steppentiere (sind immer in Bewegung auf der Suche nach Futter und Wasser) stets den Gegebenheiten der Natur an.

Den Menschen lernte das Pferd zunächst als Jäger und Raubtier kennen, bis der Mensch sich das Pferd zu nutzen machte und es als Haustier domestizierte. Seitdem leben nur noch wenige Pferde in freier Natur und werden stattdessen vom Menschen als Sport-Freizeit- oder Arbeitspferd gehalten.

Die Grundeigenschaften eines Pferdes und deren Bedürfnisse nach Sozialkontakten, dem Drang bei wahrgenommenen Gefahren zu flüchten und sich viel zu bewegen, haben sich über die vielen tausenden von Jahren jedoch nie geändert und der Mensch hat es sich zur Aufgabe gemacht die Haltungsbedingungen eines Pferdes möglichst nach seinen Grundbedürfnissen auszurichten.

Dies ist jedoch nicht immer gegeben. Besonders bei den Pferden, die als Reit-und Sportpferd gehalten werden, sind die Haltungs- und Umgangsbedingungen des Öfteren weit weg von den natürlichen Bedürfnissen des Pferdes. Sie werden in dunkeln Boxen gehalten, haben wenig bis gar keinen Kontakt zu Artgenossen und bekommen zu wenig Auslauf und Bewegung.

Und genau an diesem Punkt wären wir wieder bei Phase Eins, der Alarmphase: Stimmen die Haltungsbedingungen nicht mit den natürlichen Bedürfnissen eines Pferdes überein, befinden sich Pferde im Grunde genommen schon in der Alarmphase, da ihnen ein grundlegendes Bedürfnis fehlt und sie in der freien Natur davor bereits geflüchtet wären, bis für sie wieder alle Bedürfnisse gestillt sind. Lassen dies die Haltungsbedingungen, die ihm der Mensch vorgibt nicht zu, kommt das Pferd im Prinzip schon in die Widerstandsphase: In dieser Widerstandsphase befindet sich das Pferd unter Dauerstress, weil es ohne Unterlass oder häufig wiederkehrend immer denselben oder verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt wird (vgl.: Sladky 2016).

Diese können z. B. sein:

  • Zu wenig soziale Kontakte
  • zu wenig Bewegung
  • zu frühe oder zu harte Ausbildung von Jungpferden
  • und falsche oder widersprüchliche Hilfengebung beim Reiten.

 

Durch den ständig oder immer wiederkehrenden Stress/Druck schüttet das Pferd Cortisol und Adrenalin aus. Das hat Folgen auf den gesamten Organismus und den Stoffwechsel des Pferdes, da das Pferd sich weiterhin im Alarmzustand befindet. Das Pferd zeigt dem Menschen dabei über Wesensveränderung, Leistungsabfall, Verweigerung oder aggressive oder untypische Verhaltensmuster, dass sie gestresst sind und sich in der Widerstandsphase im Bezug auf den Stressfaktor befinden.

Wenn der Mensch diese Alarmsignale nicht erkennt oder nicht ernst nimmt, riskiert er die Gesundheit des Pferdes und es kommt beim Pferd zu der Erschöpfungs- oder Anpassungsphase. Dies bedeutet dass das Pferd keinen Widerstand mehr gegen den Stressor ausüben kann und sich entweder dem Stressor hingibt und dafür physische und psychische Schäden davon trägt und damit so zusagen „seelische gebrochen“ ist oder so krank wird, dass es für den Menschen nicht mehr für das einsetzbar ist, für das es gehalten wird. Die Anzeichen einer Erschöpfungsphase können Pferdebesitzer:innen nicht immer direkt deuten. Es beginnt mit seitwärts-abwärts fallen der Ohrmuschel, was ein Zeichen von Teilnahmslosigkeit beim Pferd ist. Weitere körperliche Symptome sind: Das Hängen der Unterlippe, die Augen sind teilweise oder ganz geschlossen und sie haben einen tiefer nach innen gerichteten Blick. Der Schweif ist schlaff und eingeklemmt, was auf Müdigkeit, Angst oder Unterlegenheit zurück zu führen ist (vgl.: Sladky 2016).

Ist dieser Zustand erreicht, bedarf es dringenden Handlungsbedarf, da die Gefahr besteht, dass das Pferd ein schweres Generelles Adaptionssyndrom entwickelt.

Daher ist die Antwort, „können Pferde Burnout kriegen?“ mit einem „Ja“ zu beantworten. Diesen Zustand des Pferdes können wir nämlich tatsächlich mit dem Burnout beim Menschen vergleichen. Ähnlich wie beim Menschen ist es so, dass das Pferd frühe Anzeichen von Unwohlsein über Wesensveränderungen zeigt und es in Unserer Verantwortung liegt, im Umgang mit ihm stets auf die Stressfaktoren zu achten und die Haltungsbedingungen so zu schaffen, dass sie den natürlichen Bedürfnissen des Pferdes entspricht.

Im Bezug auf dieses Themas folgt in Kürze ein Erfahrungsbericht zu dem Thema: „Meine Arbeit mit Schulpferden.“

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Literatur

R. Schmiedt (2012) : „Dauerstress beim Pferd“ :Pferderevue, das österreichische Magazin“ : 04/2012

P.Sladky (2016): „Burnout bei Pferden“ : „Pferderevue, das österreichische Magazin“: 30.05.2016

Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) (2021) ; Richtlinien Reiten und Fahren: Band 4: Warendorf: 20. Auflage: S. 12f.