Von Alena Fleischmann
In den letzten Monaten und Jahren steht ein Thema leider immer wieder im Mittelpunkt: „Hass und Hetze“. Auch oder insbesondere auf Social Media Plattformen werden viele Menschen mit Hass gegen sich oder ihre Geliebten konfrontiert. Aber was macht dieser ganze Hass und die Hetze mit unserer Psyche?
Was sind Hass und Hetze und woher kommt Hass?
Bevor wir über die Auswirkungen von Hass und Hetze reden können, lohnt es sich zu betrachten was Hass und Hetze definitorisch sind und warum wir als Menschen überhaupt hassen.
Hass ist eine Emotion intensiver Abneigung und Feindseligkeit gegenüber einem Objekt des Hasses. Dieses Objekt können Einzelpersonen oder Gruppen sein. Dabei wird das Hassobjekt als bedrohlich oder unmoralisch betrachtet. Oft kommt noch ein Gefühl hinzu, dass das eigene Selbst oder der eigene Selbstwert durch das Hassobjekt bedroht sind. Hass äußert sich angefangen bei kleinen verbalen Boshaftigkeiten um das Hassobjekt zu ärgern bis hin zur Gewalttätigkeit mit dem Ziel der Vernichtung. Hass wird gefördert durch das Erleben oder das Gefühl des Erlebens einer existenzieller Verletzungen, sozialen oder kulturellen Normen, die Hass auf andere befürworten oder durch persönliche feindselige Neigungen.
Aber warum empfinden wir dieses Gefühl als Menschen überhaupt? Hass ist eine sehr komplexe Emotion, die verschiedene Ursachen haben kann, z.B.:
- Die Angst vor “den Anderen” bzw. “dem Fremden”: Menschen nehmen anderes und fremdes oft als bedrohlich wahr. Hier kommt auch die “In-Group-Out-Group-Theorie” zum Greifen. Wenn wir uns durch als fremd Wahrgenommenes bedroht fühlen, wenden wir uns unserer “In-Group” (der Gruppe an Menschen mit der wir uns identifizieren) zu und zeigen Aggressionen gegenüber dem Fremden und vermeintlich Gefährlichem.
- Angst vor uns selbst: Oft hassen wir Personen oder Gruppen die Eigenschaften zeigen, die wir in uns selbst fürchten, da wir Angst haben, dass diese Eigenschaften zum Ausschluss aus unserer Gesellschaft oder sozialen Gruppe führen könnten. Wir unterdrücken dementsprechend diese Eigenschaften und verurteilen und hassen diese Eigenschaften auch, wenn wir sie anderen zuschreiben.
- Mangelndes Selbstmitgefühl: Wenn wir Eigenschaften an uns selbst nicht mögen und kein Mitgefühl für uns selbst haben oder uns selbst oft für suboptimal halten, neigen wir dazu andere Menschen und ihr Verhalten als direkten Angriff auf uns selbst zu sehen, statt als das was es zumeist ist: das Verhalten anderer Menschen unabhängig von einem selbst. Wir reagieren auf unsere wahrgenommene Unvollkommenheit mit Hass und Aggressionen gegen andere.
- Leere füllen: Hass kann als Ablenkung dienen um sich nicht mit der eigenen Identität auseinandersetzen zu müssen. Statt über die eigene Persönlichkeit, Werte und Ideale nachzudenken wird die eigene Identität durch Hass auf andere gefüllt bzw. durch das Abgrenzen gegenüber den Personen, die man hasst.
- Soziale und gesellschaftliche Faktoren: Oft neigen wir zu Hass oder Aggressionen, weil wir in unserer Erziehung und Sozialisation gelernt haben, dass diese legitime Reaktionen auf ambivalente Situationen seien. Außerdem lernen wir oft sehr früh alles was anders ist zu hassen bzw. übernehmen den Hass den wir vorgelebt bekommen.
An den letzten Punkt anschließend: Hetze ist die “Gesamtheit unsachlicher, gehässiger, verleumderischer, verunglimpfender Äußerungen und Handlungen, die Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegen jemanden, etwas erzeugen” (Duden). Hetze und Hass sind dementsprechend ein Teufelskreis, wir hassen und hetzen deswegen und hassen weil wir als Gesellschaft hetzen.
Hatespeech und seine Auswirkungen
Aber was macht es mit uns, wenn der Hass gegen uns gerichtet ist?
Eine Umfrage des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringen zeigt, dass 75% der Betroffenen von Hasskommentaren im Netz verschiedene negative Auswirkungen wie Angst, Unruhe oder Probleme mit der Arbeit berichteten und es gibt viele Studien, die die negativen Auswirkungen von Diskriminierung und Hass auf unsere Psyche zeigen (z.B. Lu Shi et al., 2022 oder der FRA Bericht “A long way to go for LGBTI equality”).
Wenn wir von Hass und Hetze betroffen sind, löst es zuerst einmal emotionalen Stress aus, wir empfinden vielleicht Ängste und Ohnmachtsgefühle oder Wut und Frustration. Zudem wird oft das eigene Sicherheitsgefühl beeinträchtigt. Auf lange Sicht kommen oft Selbstzweifel hinzu, vor allem wenn wir auf einer sehr persönlichen Ebene Hass erleben z.B. durch sexualisierte Anfeindungen, und Rückzug aufgrund eines diffuses Gefühl der Angst, da wir die eigene konkrete Gefährdung nur schwer einschätzen können. Wenn die emotionale Belastung durch den erlebten Hass andauert oder keine Auseinandersetzung mit der eigenen emotionalen Reaktion erfolgt, kann es schließlich zur Entwicklung psychischer Erkrankungen führen. Hinzu kommt die reale Bedrohungslage, dass der Hass von Worten zu Taten umschwingt.
Und was macht Hatespeech auf der gesellschaftlichen Ebene?
Im öffentlichen Raum der Medien und Plattformen des Internet wird Hatespeech vor allem dann auffällig, wenn Personen, die radikalen Parteien oder Gruppierungen angehören, oder diskriminierende Ideen verbreiten, viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. So gibt es etwa starke Vernetzungen zwischen Personen, die sich darin einig sind, bestimmte Minderheiten auszugrenzen oder anzugreifen und Shitstorms gegenüber anderen Personen zu unterstützen. Politische Debatten werden durch Troll-Kommentare, ad-hominem-Argumente und verletzende Angriffe gegen andere durchkreuzt. Diejenigen, denen eine Beleidigung oder ein Tabubruch einfällt, indem sie eine Diskriminierung äußern, können sich auf die Unterstützung ihrer Hate-Bubble verlassen. Auf eine diskriminierende Beleidigung, die mit Wut oder Tränen-Lach-Smiley garniert ist, folgen dann eine Reihe schadenfroher Bestätigungen.
Weil Hass-Kommentare so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und z.B. bei Äußerungen von Vertreter:innen rechtsradikaler Parteien in der Öffentlichkeit nicht immer klar ist, ob es sich um eine diskussionswürdige Meinung oder einfach um Hatespeech handelt, zirkuliert der Hass weiter durch die Gesellschaft. Und dies passiert, obwohl die Mehrheit der Menschen in Deutschland sich in aktuellen Demonstrationen gegen Rechts gestellt und für eine offene, demokratische und freie Gesellschaft demonstriert hat.
Im Internet schafft es eine hetzende Minderheit teilweise konstruktive Diskussionen zu verhindern und tut so, als würde menschenfeindliches, diskriminierendes Gepolter der Mehrheitsmeinung entsprechen. Zudem führt der Hass zum Rückzug vieler aus den Diskussionen, da sie entweder psychisch so belastet sind von dem Hass oder das Gefühl haben, dass egal was sie sagen, es nichts bringt. So gaben 53% der befragten Thüringer in der Umfrage des Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft an, sich seltener im Netz zu der eigenen politischen Meinung zu bekennen und 47% gaben an, sich aufgrund von Hatespeech weniger an Diskussionen im Internet zu beteiligen.
Zudem führt Hetze dazu, dass andere Menschen die feindselige Stimmung gegenüber Minderheiten übernehmen oder sich bestärkt fühlen in ihrem Hass und es im schlimmsten Fall zu Gewaltausschreitungen kommt.
Wie kann ich mich schützen?
Wenn man selbst von Hass in sozialen Medien betroffen ist, können folgende Handlungsweisen hilfreich sein um die eigene psychische Gesundheit zu schützen:
- Bewusst gesetzte Pausen: Es kann sinnvoll sein, bewusste Pausen von Social Media zu machen um sich zu erholen und innerlich Abstand vom Hass gewinnen zu können. Dabei können die eigenen Accounts entweder einfach ignoriert werden, kurze Zeit deaktiviert oder einer Vertrauensperson übergeben werden.
- Bewusstes Scrollen: Wer sich nicht mehrere Wochen von Social Media zurückziehen will, kann die Taktik benutzen nur zu gewissen Zeiten und in einem abgesteckten Zeitrahmen auf den einzelnen Plattformen unterwegs zu sein um ein konstantes Einprasseln von Hass über den ganzen Tag verteilt zu vermeiden und so Zeiten zu haben, wo der Hass kein Thema ist.
- Distanzieren über Informationen: Vielen Menschen kann es helfen, die Mechanismen hinter Hass und Hetze zu verstehen, um sich distanzieren zu können und Hass nicht auf sich persönlich zu beziehen.
- Aufsuchen von Geschützen Räumen: Der Hass kann verunsichern, insbesondere wenn man das Gefühl hat, dass alle diesen Hass teilen. Deswegen kann es helfen, Räume im Internet oder in der realen Welt aufzusuchen, die sicher sind und in denen man ohne Angst vor Hass sprechen kann oder einfach man selbst sein darf.
- Weiter Sprechen: Ein Ziel von Hassrede und Hetze ist es, die anderen Meinungen mundtot zu machen. Unsere Fähigkeit unserer Meinung zu äußern und von unseren Erfahrungen zu berichten, ist aber sehr wichtig für unsere Psyche. Wenn wir direkt auf Hassrede reagieren, ist es möglich, Angriffe ins Leere laufen zu lassen, indem wir mit Humor reagieren. Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob es z.B. sinnvoll ist, mit Rechtsextremen zu diskutieren, um sie von legitimen und humanistischen Ansichten zu überzeugen. Wenn dies in Form von Gegenrede praktiziert wird, ist es wichtig, eine sachliche, nicht-beleidigende Form zu wahren. Wenn allerdings erkannt wird, dass Diskussionen mit hasserfüllten Personen nicht zielführend und lediglich für einen selbst energieraubend sind, bleibt mehr Zeit dafür, die eigenen Meinungen und Erfahrungen zu bilden und zu äußern. Zum Selbstschutz ist es dabei sinnvoll, sich zu überlegen, in welchem Rahmen die eigenen Äußerungen stattfinden sollen. Welche persönliche Erfahrungen oder Meinung möchte ich in der Öffentlichkeit vertreten und diskutieren? Welche Dinge möchte ich lieber nur einem geschützten Kreis von Freunden, Familie oder sogar nur einem Tagebuch anvertrauen?
- Anerkennen von Bedrohungslagen: Oft ist die eigene Gefährdungslage diffus oder man hat Angst, dass einem vorgeworfen wird zu übertreiben. Auch bei unklaren Gefährdungslagen ist es wichtig die eigene Angst als real anzusehen und Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, sowie das eigene Umfeld gegenüber der Lage zu sensibilisieren. In konkreten Bedrohungslagen sollte natürlich die Polizei eingeschaltet werden, dabei kann man sich Hilfe holen z.B. bei HateAid oder dem Weissen Ring e.V.
- Aufsuchen von Hilfen: Wenn man nicht, weiß wie man mit dem Hass umgehen kann oder Hilfe braucht, kann das Aufsuchen von Beratungsstellen (https://hateaid.org) und professionellen Hilfen wie Therapeut:innen sehr hilfreich sein.
Was kann ich gegen Hass und Hetze tun?
Die aktuellen Demonstrationen zeigen, dass viele Menschen gegen den Hass sind und etwas tun möchten. Oft wissen wir aber nicht genau was wir machen können – insbesondere wenn wir uns nicht trauen oder die Möglichkeit haben direkt gegen Hass zu sprechen.
- Wir können Hass und Hassrede melden, entweder bei den Betreibern von Social Media Plattformen melden, eigentlich jede hat dafür einen Button oder über Netzwerke wie “respect!” (https://meldestelle-respect.de).
- Demonstrationen gegen Hass besuchen
- Einen sicheren Raum für Betroffene schaffen, ihnen zu hören und sie ernst nehmen
uns bei unseren politischen Vertreter:innen für Gesetze gegen Hatespeech, für Spezialeinheiten bei der Polizei, Anlaufstellen für Betroffene etc. einsetzen, in dem wir unseren politischen Vertreter:innen z.B. E-Mails dazuschreiben - Online Botschaften des Zusammenhaltes und Anti-Hass Posts teilen und so zeigen, dass die Gegenstimmen gegen Hass da sind
- wählen gehen (auch bei kleinen Wahlen)
- sich für politische Bildung einsetzen, denn uns allen fällt es leichter, nicht auf Hass und Hetze hereinzufallen, wenn wir wissen, wie sie funktioniert und woran man subtilen Hass z.B. in Mikroaggressionen erkennen kann, wenn man selbst nicht betroffen ist.
Falls Ihr es könnt, ist es natürlich wichtig mit Gegenreden und dem Aufzeigen von Argumenten gegen Hassreden vorzugehen, dass kann dabei groß auf Social Media sein, aber auch im Kleinen, in dem man z.B. einem Verwandten oder einem:einer Freund:in erklärt warum bestimmte Aussagen oder Geschichten rechte Propaganda sind oder warum eine Aussage diskriminierend ist. Dabei ist es natürlich wichtig, die einige psychische Gesundheit im Blick zu behalten. Denn am Besten gehen wir gegen Hass vor, in dem wir zeigen, dass es nicht salonfähig ist, Personengruppen zu diskriminieren und dass die Mehrheit stark zusammen gegen Hass und Hetze steht.
Quellen
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